Die Gesellschaft ist ein Dschungel

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LIPPISCHE LANDES-ZEITUNG NR. 244, DIENSTAG, 20. OKTOBER 2009, Gespräche beim Zuckerfest: Dor Mohammed Mobram. FOTO: KARACZKO

INTERVIEW: Die Gesellschaft ist ein Dschungel

Dor Mohammed Mobram vom afghanischen Kulturverein über die Aktivitäten zwischen Menschen.
Detmold. Der Afghanische Kulturverein hatte zum Zuckerfest ins Haus des Gastes eingeladen. Neben Back- und Süßwaren gab es Infos über das Land, und Vorsitzender Dor Mohammed Mobram stand für Dialoge zur Verfügung.

Ist Integration überhaupt möglich?
Dor Mohammed Mobram: Natürlich. Integration ist Aktivität zwischen Menschen. Und wo Menschen leben, ist das ein natürlicher Vorgang. Das ist ja das, was unser Verein und die Stadt gemeinsam machen. Mit Toleranz und Geduld geht das. Integration kann aber niemals einseitig sein

In manchen Bereichen klappt das noch nicht ganz so. Beispiel Kopftücher?
Mobram: Kopftücher sind private Symbole. Das ist kein Problem der Religion. Jede Gesellschaft hat ihre Symbole. Warum soll man in einer freien Gesellschaft kein Kopftuch tragen? Der eine trägt einen Bart, der andere nicht. Das ist Freiheit und hat mit Integration nichts zu tun. Und auch mit Toleranz hat das nichts zu tun. Toleranz muss man für etwas haben, das nicht normal ist.

Welches Gefühl haben Sie, wenn Sie an die Situation in Ihrer Heimat denken?
Mobram: Das ist schwer, ich sehe täglich Nachrichten aus meiner ersten Heimat. Die Perspektive ist derzeit dunkel, enttäuschend. Die ganze Welt ist dort beschäftigt, will helfen das Land aufzubauen, aber die Wirkung ist gleich Null. Es gibt dort 80 Prozent Analphabeten und kaum Infrastruktur. Und das obwohl so viele dort sind und sagen, sie wollen helfen. Das ist schon komisch.

Glauben Sie, dass der Einsatz von Soldaten auf Dauer etwas bringen wird?
Mobram: Frieden kann man nur mit Verständigung erreichen. Mit Soldaten und Bomben kann man keinen Frieden bekommen. Die militärische Lösung ist keine Lösung. Im Übrigen ist das Problem in Afghanistan gar kein afghanisches. Die Terroristen sind gar keine Afghanen. Afghanistan ist eigentlich geografisch beteiligt. Bin Laden ist auch kein Afghane, er hat sich nur ein Nest in dem Land gebaut. Afghanistan ist wie eine geografische Brücke, das Land ist wie ein Spielball der Terroristen. Die Drahtzieher kommen aus anderen Ländern.

Sie sagten Verständigung sei wichtig. Ist das der Grund, warum sich Ihr Verein für ein Zusammenleben in Detmold engagiert?
Mobram: Natürlich. In der Welt gibt es sieben Millionen Afghanen, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind. Da ist Verständigung der einzige Weg zu zeigen, dass wir ganz normale Menschen sind. Es gibt keinen anderen Weg. Die Gesellschaft ist wie ein Dschungel. Man muss aufpassen und immer im Dialog bleiben.

Sprechen Sie mit Ihren Kindern über diese Probleme?
Mobram: Die Kinder verstehen das schon. Ich bin mit den Kindern extra nach Afghanistan geflogen, um ihnen das Land zu zeigen. Aber das Problem dabei ist die Muttersprache. Sie sprechen Deutsch, wichtig ist aber auch, dass sie afghanisch sprechen. Wir bemühen uns deshalb auch darum, dass die Kinder beide Sprachen sprechen. Mein Bruder etwa lebt in den Niederlanden und spricht auch niederländisch. Wir versuchen, beide Kulturen zu leben, und dabei wählen wir die besseren Aspekte jeder Kultur. So gut es geht.

Die Fragen stellte LZ-Mitarbeiterin Martina Karaczko