Flüchtlinge in Lippe

In Afghanistan erwartet die Rückkehrer eine miserable Zukunft


Flüchtlinge in Lippe: Der Staat ist nicht durchsetzungsfähig, die Wirtschaft quasi nicht existent, aber die Korruption groß. So stellt sich das Land für den Detmolder Arzt Dr. Zulfacar dar, der Hilfsprojekte am Hindukusch betreut. Dor Mohammad Mobram, Vorsitzender des afghanischen Kulturvereins, fordert bessere Integrationsbemühungen.

LZ: DONNERSTAG 4. MAI 2017

Detmold (te). Kenner Afghanistans zeichnen ein dunkles Bild von der Lage im Land. „Die Abkommen mit Deutschland stehen nur auf dem Papier, praktisch passiert da nichts“, sagt Dor Mohammad Mobram, Vorsitzender des afghanischen Kulturvereins Lippe. Denn es gebe quasi keinen Apparat hinter den Regierenden. „Es sieht miserabel aus“, bestätigt Dr. Ataullah Zulfacar, Kardiologe aus Detmold, der erst vor wenigen Wochen durch Afghanistan gereist ist.

„Wirtschaft und Produktion gibt es quasi nicht“, sagt er. Die Bevölkerung sei nur noch mit dem täglichen Überleben beschäftigt. Dazu kämen ständige Angriffe auf Regierungsorgane oder Selbstmordattentate. Sicherheit sei in dem Land nicht zu garantieren, sagt Dor Mohammad Mobram. Und so fragt er sich, wieso Innenminister de Maiziere auf die Idee komme, es gebe sichere Orte in Afghanistan. „Was ist heute anders als vor einem Jahr?“ Rund 165.000 Afghanen sind seit 2015 nach Deutschland gekommen, aber mehr als 800.000 leben als Flüchtlinge im eigenen Land. Dr. Zulfacar hat in Herat in einem der Lager Hilfsgüter verteilt.

Für den Ärzteverein für afghanische Flüchtlinge kümmert sich der Detmolder Arzt im Ruhestand um Hilfsprojekte. Seine Erfahrung dabei: die Bürokratie hemme jede Entwicklung, und die Korruption habe katastrophale Ausmaße angenommen.
Sicherheit, Demokratie, die Hoffnung auf Unterstützung sowie eine traditionelle Sympathie für die Deutschen nennt Mo-bram als Gründe für den langen und lebensgefährlichen Weg, den viele Afghanen auf sich genommen haben. Zudem habe die Willkommenspolitik Angela Merkels Schlepper auf den Plan gerufen. Sie versprachen, die Menschen für 4000 Dollar nach Deutschland zu bringen. Etliche hätten dafür alles verkauft, was sie besaßen. Deshalb fordert Mobram vor allem Integrationsbestrebungen in Deutschland in Form von einfachen Ausbildungen oder ähnlichem für die afghanischen Flüchtlinge mit Bleibeperspektive, aber auch für die, die wieder zurückmüssen. Bei der Integration beziehungsweise bei der Vorbereitung der Re-Integration in Afghanistan dürfe keine Zeit verloren werden.

„Deutschland sollte nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen“, sagt Mobram und meint damit jahrelang zur Untätigkeit verurteilte Menschen mit unklarer Perspektive. Dürften sie bleiben, sei viel Zeit verloren. Müssten sie gehen, hätten sie dann wenigstens etwas Rüst-zeug, um in Afghanistan besser zurecht zu kommen.

Hilfsprojekte für die medizinische Versorgung

Der Ärzteverein für afghanische Flüchtlinge unter-stützt in Afghanistan Hilfs-projekte, beispielsweise die Universitätsklinik in Masar-i-Sharif, die mit neun Krankenbetten nun erstmals an-gehenden Ärzten die Möglichkeit bietet, echte Patienten zu sehen. Hier muss noch eine Wäscherei und eine Küche eingerichtet werden. An anderer Stelle kooperiert der Verein mit einem aus Herat stammenden und in Kalifornien lebenden Geschäftsmann, der in der Stadt ebenfalls eine kleine Uni-Klinik bauen will. Denn der Verein sieht es als eine seiner Aufgaben an, die medizinische Versorgung der Bevölkerung im Land zu verbessern. Im Osten des Landes, in Khewa, wird deshalb eine Poliklinik unterstützt, da-neben auch eine Schule in dem Ort. Und letztlich will der Verein eine Klinik im Süden Kabuls unterstützen. Am Rande bemerkt: In einem Kabuler Krankenhaus entdeckte Dr. Zulfacar eine Waschmaschine, die vor 60 Jahren bei Miele in Gütersloh gebaut worden ist. (te)